Der Heidengraben ist mit einer Gesamtfläche von 1.662 Hektar nicht nur das größte keltische Oppidum in Deutschland, sondern auch eines der größten in Europa. Der Begriff „Oppidum“ für stadtähnliche, befestigte Großsiedlungen der späten Kelten des 2. und 1. Jh. v.Chr. in Mitteleuropa wurde in Anlehnung an Caesars Beschreibung solcher Anlagen der Kelten in Gallien übernommen. Im Gegensatz zum heutigen Frankreich ist im Heidengraben allerdings keine Begegnung zwischen Kelten und Römern nachgewiesen. Funde aus der Römerzeit aus dieser Gegend sind rund 200 Jahre jünger.
Namensgebend für die Gemeinde Grabenstetten war wohl der Verteidigungsgraben des Oppidums, auffälliger in der Landschaft ist jedoch der erhabene Wall, den man heute noch über weite Strecken verfolgen kann. Der Verlauf der Befestigungsanlage um den Heidengraben wurde der halbinselartigen Form der Hochfläche angepasst, deren steile Abhänge einen natürlichen Schutz boten. An der schmalsten Stelle südlich von Grabenstetten schnürt der Wall die Hochebene von der Albhochfläche ab. Dort sowie an Stellen, wo Wege aus den tief eingeschnittenen Tälern emporführen, wurden Tordurchlässe angelegt, meistens in Form von sogenannten Zangentoren, wo der eindringende Gegner in einer langgezogenen Torgasse sprichwörtlich „in die Zange“ genommen werden konnte. Diese Tore sind heute alphabetisch numeriert und werden als Tor A bis Tor H bezeichnet. Der Wall war ehemals deutlich höher als heute und als sogenannte Pfostenschlitzmauer aus Holzpfosten, Steinen und Erde errichtet. Am Tor G in der Nachbargemeinde Erkenbrechtsweiler wurde nach Ausgrabungen durch das Landesdenkmalamt Baden-Württemberg ein Stück dieser Mauer rekonstruiert.
Ein wichtiger Grund für die Anlegung des Oppidums auf diesem Hochplateau war sicherlich der Schutzgedanke im Hinblick auf die Bedrohung durch einfallende Germanenstämme, aber auch durch innerkeltische Auseinandersetzungen. Soziale Aspekte dürften bei der Siedlungsgründung und der damit verbundenen Zentralisierung ebenfalls eine Rolle gespielt haben.
Im Süden des Heidengrabens lag, durch eine weitere, sehr gut erhaltene Befestigungsanlage mit Wall und vorgelagertem Graben geschützt, der Kern des Oppidums mit einer Fläche von 153 Hektar. Anfang des 20. Jh. wurde dieses Siedlungszentrum „Elsachstadt“ genannt, nach einer Quelle, die nur wenig entfernt am Hang unterhalb der Hochfläche aus der Falkensteiner Höhle austritt und eine wichtige Wasserversorgung darstellte.
Die in der Elsachstadt gemachten Funde wie Keramik, Glasschmuck, Fibeln aus Eisen und Bronze und wenige Münzen erlauben eine Datierung in die Spätlatènezeit, ca. 100 v.Chr. Zahlreiche Fragmente von Amphoren als Transportbehälter für Wein weisen auf weitreichende Handelsbeziehungen bis ins Mittelmeergebiet hin. Leider wurden noch keine Bestattungen entdeckt, die ein genaueres Bild über die damalige Bevölkerung liefern könnten, die man auf mehrere tausend Einwohner schätzt. Auch kann man nur Vermutungen darüber anstellen, warum das Oppidum aufgegeben und verlassen wurde. Eine Abwanderung nach dem Einfall der Germanenstämme kann ebenso in Betracht bezogen werden wie Spannungen innerhalb der auf engem Raum zusammenlebenden Bevölkerung oder auch Krankheiten und Seuchen, die sich schnell ausgebreitet und zu einer Entvölkerung geführt haben könnten.
Nur ein geringer Prozentsatz der Gesamtfläche wurde bisher archäologisch untersucht, teilweise im Zusammenhang mit Flurbereinigungsmaßnahmen. Einige der bei den Grabungen des Instituts für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters der Universität Tübingen in den Jahren 1994 bis 1999 geborgenen Funde sind im Museum Schloss Hohentübingen und im Keltenmuseum in Grabenstetten ausgestellt.
Eine ältere Besiedlung aus der Späthallstatt-/Frühlatènezeit (6. - 4. Jh.v.Chr.) wurde im Westen der Elsachstadt entdeckt, nahe einer Wasserstelle, die sich, wie in diesem Gebiet der Albhochfläche üblich, auf einem Vulkanschlot gebildet hatte. Die Größe der Siedlung, zahlreiche Funde sowie der Nachweis von Metallverarbeitung zeigen eine gewisse Bedeutung dieser frühkeltischen Örtlichkeit.
Aus der frühen Eisenzeit, der Hallstattzeit (8. - 6. Jh.v.Chr.) stammen rund 30 Grabhügel am Burrenhof, von denen einige nach der archäologischen Untersuchung an der Originalstelle wieder aufgeschüttet wurden. Es wurden sowohl Brand- als auch Körperbestattungen gefunden. Neben Grabbeigaben in Form von Fibeln, Schmuck und einem Dolch sowie reich verzierter und schön bemalter Keramik ist ein vierrädriger Wagen erwähnenswert, der auf eine herausgestellte Persönlichkeit hinweist.
Text: Christel Bock, Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters der Universität Tübingen